Jetzt komme ich

War nicht eben noch Advent und wir sind von einem Termin zu nächsten gehetzt, haben eingekauft, vorbereitet und das Jahr abgeschlossen? Keine Ahnung, wo die Zeit so schnell hin ist, aber das macht auch nichts. Ostern kommt bestimmt und Geburtstage sind ja eigentlich immer ein Renner. Termine, zu denen wir hetzen können, gibt es auf jeden Fall genug. Ob das immer Sinn macht,  steht auf einem anderen Blatt. In einem Facebook live Seminar stellte eine Referentin uns Teilnehmern die Frage, was wir machen, wenn wir uns einmal nicht gut fühlen oder sogar nicht gut genug, um einen Termin wahrzunehmen, sei es ein Kaffeetreffen oder ein Businesstermin. Die durchweg einstimmige Antwort war: Durchpushen, aushalten, Strategien überlegen, den Termin erträglicher zu machen. Die Referentin war nicht erstaunt über die Antworten und hatte wahrscheinlich auch nichts anderes erwartet. So funktioniert unsere Welt und damit wir auch, richtig?

Die Dame selbst hatte jedoch eine etwas andere Herangehensweise. Sie selbst sagt den Termin ab, wenn sie sich nicht gut fühlt und Absagen eine Möglichkeit ist, und viel wichtiger noch, sie geht keine Verabredung ein, die sie nicht eingehen möchte, weil sie sich zum Beispiel immer Unwohl bei diesem Treffen fühlt oder schlichtweg keine Lust darauf hat. Natürlich sprechen wir hier nicht von dringenden Arztterminen, unerlässlichen Behördengängen oder Jobgesprächen. Nein, es geht um die Termine, die wir wahrnehmen, weil wir uns verpflichtet fühlen, aus welchen Gründen auch immer, sei es um anderen einen Gefallen zu tun oder weil diese Verabredung schon immer stattgefunden hat, ob die Teilnehmer wirklich möchten oder nicht. So etwas gibt es, keiner hat wirklich Lust, aber niemand will derjenige sein, der mit der Tradition bricht. Das Seminar hatte eigentlich einen anderen Hintergrund, aber dieser Punkt hat mich lange nicht losgelassen und ich habe festgestellt, dass die Referentin recht hat. Wir (und ich glaube, das gilt vor allen Dingen für Frauen) pushen viel zu häufig durch unliebsame Ereignisse, statt innezuhalten und uns zu fragen, ob das Aushalten überhaupt nötig ist. Versteht mich nicht falsch, ich befürworte nicht, eine Essensverabredung eine halbe Stunde vorher abzusagen, weil wir doch keine Lust auf Italienisch haben. Das wäre unhöflich und unfair unserem Date gegenüber, das vielleicht auch lieber auf dem Sofa geblieben wäre. Nein, es geht darum, Verabredungen, die uns nicht gut tun, an denen wir keinen Spaß haben oder die mit Menschen stattfinden, die uns unsere Energie rauben, erst gar nicht einzugehen, nein zu sagen, auch wenn das scher fällt. Und warum tun wir uns eigentlich oft so schwer damit? Weil derjenige sauer auf uns sein könnte? Weil Dinge schon immer so waren? Das ist kein guter Grund, wenn wir uns im Gegenzug schlecht fühlen, gestresst oder sogar richtig krank. Es spielt keine Rolle, was andere über uns denken, solange wir glücklich sind. Genau dann ist uns nämlich egal, ob xy grundlos beleidigt ist oder eine sinnlose Tradition ihr wohlverdientes Ende findet.

Klar, wir brauchen ein wenig Mut, um unseren eigenen Weg zu gehen, uns Raum zu verschaffen für Entscheidungen, die manchmal mit Unverständnis aufgenommen werden, aber das entspannte Gefühl, das wir im Gegenzug bekommen, wenn wir mit unserer Zeit genau das tun, was wir möchten, ist unbezahlbar. Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, in diesem Jahr nicht blind ja zu sagen, zu Treffen, Terminen und Verpflichtungen, sondern genau hinzusehen und nur dann meine Zustimmung zu geben, wenn die Verabredung sich richtig für mich anfühlt.