Wenn der Himmel über uns zerreißt

Wenn der Himmel über uns zerreißt ©Nicole Neuberger via Canva

Ja, wenn der Himmel über dir zerreißt
Und die ganze Welt dich nur bescheißt
Steh’n wir zusamm’
Wie Bonnie und Clyde!

singen Sarah Conner und Henning Wehland und drücken damit wohl das Gefühl aus, dass viele in den letzten Tag beherrscht. Die Welt ist ganz plötzlich eine andere und wir schauen sprachlos und erschüttert zu, wie Werte, die wir für unumstößlich hielten, plötzlich in Frage stehen.

Es ist noch nicht lange her, da haben wir mit dem Slogan „Love wins“ gefeiert. Nun startet der Kampf offenbar erneut, weil wenige plötzlich lauter sind als viele. Weil sie ihren Hass lauter hinausschreien, als wir von der Liebe erzählen. Vielleicht haben wir uns in Sicherheit gewogen und die Schreihälse nicht rechtzeitig übertönt, aber daran können wir nichts ändern. Die Vergangenheit zu betrauern und nach Fehlern zu suchen, das Hätte, Wenn und Aber zu analysieren, versperrt uns den Blick auf die Zukunft, in der wir durchhalten müssen, nicht aufgeben dürfen und für unsere Werte kämpfen müssen, bis sie im letzten Winkel der Erde und in jedem verschrobenen Kopf angelangt sind, egal wie lange es dauert. Wir müssen zusammenstehen, eine Einheit bilden, untrennbar, wie Bonnie und Clyde. Das gilt für uns alle im Großen und im Kleinen. In schwierigen Zeiten vergessen wir manchmal, dass es auch Gutes gibt, dass wir stolz sein können auf das, was wir erreicht haben, darauf, wie viele Schlachten wir gewonnen haben, für Gleichberechtigung, Toleranz und das Miteinander. Eine Niederlage ist kein endgültiges Aus und schon gar keine Kapitulation, solange wir nicht den Kopf in den Sand stecken. Wenn der Himmel über uns zerreißt, ist der erste Instinkt, Schutz zu suchen, sich zurückzuziehen in den Kreis der Familie, der Freunde, um in der eigenen kleinen, heilen Welt Geborgenheit zu suchen. Das ist natürlich. Denn dort, wo wir uns sicher fühlen, können wir Kraft tanken, für die Welt da draußen, die unabhängig vom Wetter, frostig wirkt. Doch wir dürfen uns nicht verstecken, nicht hinter dem Rücken die Fäuste ballen und in der heimischen Wohlfühlzone die Wunden lecken. Wir müssen aufbegehren, widersprechen, uns Gehör verschaffen.

Haters gonna Hate

singt Taylor Swift und leider hat sie recht. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir diese Menschen ignorieren dürfen, wir haben sie viel zu lange ihre Parolen rufen lassen. Viel zu lange kopfschüttelnd zugesehen, wie sie ihre Ablehnung, ihre Negativität gegen alles und jeden im Internet verbreiten, auf die Straßen tragen und in die Köpfe Leichtgläubiger hämmern. Wir haben sie laut werden lassen. Versteht mich nicht falsch, ich weiß, dass wir an der Politik in anderen Ländern nichts ändern können, aber wir können den Menschen, die darunter leiden, unsere Unterstützung anbieten, in dem wir deutlich machen, dass sie nicht allein sind. Und wir können verhindern, dass Ähnliches in unserem Land passiert. Wir können sprechen, darüber dass wir alle gleich sind und nicht andere gleicher und dafür sorgen, dass Liebe gewinnt und nicht mit Füßen getreten wird.

Liebe hat mehr Treffer als Hass

sagt Google. Doch unsere Wahrnehmung ist eine andere, eben weil, wer am lautesten schreit, immer noch die größte Aufmerksamkeit erhält. Warum also sprechen wir nicht häufiger von der Liebe, erzählen ihre Geschichte, so oft und so lange, bis niemand mehr die Hater hört. Das mag idealistisch oder naiv klingen, aber das ist mir egal. Wenn wir die Ziele nicht hoch hängen und uns mit wenig zufrieden geben, werden wir nie erreichen, was wir uns wünschen. Und ich werde nicht aufgeben, den Wahnwitzigen zu widersprechen. Selbst wenn sie nicht zuhören wollen, selbst wenn ich ihre Meinung nicht ändere. Auch wenn ich nichts erreiche, dann habe ich doch gezeigt, dass ich nicht zu ihnen gehöre, zu den Intoleranten, den Hatern. Ich möchte nicht in den gleichen Topf geworfen werden, weil ich schweige.

Ich möchte, dass Liebe gewinnt.