Heirate mich

Heirate mich Sonntagsdate ©Nicole Neuberger via Photofunia

Habt Ihr schon einen Heiratsantrag bekommen? Ja? Wie war er?

Im Liebesroman läuft der Heiratsantrag ungefähr so ab: Die Protagonisten, Freunde und Familie sind auf einer Feier – der Abschlussfeier, der Party zum neuen Job oder auch auf einer Überraschungsparty zum Geburtstag. Das Happy End ist eigentlich schon perfekt, aber genau in diesem Moment des Glücks stellt einer der beiden – meist der Mann – die entscheidende Frage. Dann fließen Tränen, so viele, dass die Antwort offen bleibt.

Ist das ein Ja?

fragt der nervöse Antragsteller und es folgen ein Nicken und ein Kuss, der mit Applaus der glücklichen Anwesenden quittiert wird. So oder so ähnlich haben wir es schon unzählige Male gelesen. Im echten Leben scheiden sich die Geister an Heiratsanträgen. Die einen wünschen sich eine große Geste. Wer erinnert sich nicht an den Heiratsantrag von Isaac Lamb, bei dem seine Freundin Amy in einem Auto umhergefahren wurde, während Freunde und Familie zu Bruno Mars’ Marry You performten. Das Video haben inzwischen über 31 Millionen Menschen gesehen und die Aktion hat unzählige Nachahmer gefunden. Oder Dean Smith, der seinen Antrag ein Jahr lang vorbereitete, indem er jeden Tag ein Foto von sich und der Botschaft an seine Freundin Jennifer machte. Ob Antragsflashmob, Flugzeug mit ‚Willst Du mich heiraten?’-Banner oder ein Schriftzug auf der Anzeigetafel im Stadion größer ist nicht groß genug für Liebende, die ihr Glück herausschreien möchten. Und daran ist auch nichts verkehrt. Einen kleinen Haken haben diese riesigen Aktionen allerdings: Wer sagt schon Nein, wenn Freunde und Familie in freudiger Erwartung daneben stehen oder ein ganzes Stadion den Kopf wendet, während Fernsehkameras auf das eigene Gesicht gerichtet sind? Niemand. Zumindest niemand, der seinen Partner nicht vor versammelter Mannschaft demütigen will. Und das ist das winzige Problem an den großen Gesten. Sie sind so groß, dass kein Raum für Zweifel bleibt, auch wenn sie da sind.

Und dann gibt es diejenigen, die ganz nüchtern darüber reden, dass es an der Zeit ist, zu heiraten. Vielleicht wegen der Kinder, vielleicht wegen der Steuern, dem Hausbau oder weil nach es nach zwei, drei, fünf Jahren einfach soweit ist. Das klingt nicht romantisch, aber manche Paare brauchen eben keine Rosenblätter, Liebeslieder und hunderte Zeugen, um sich für die Ehe zu entscheiden. Auch das ist in Ordnung. Mehr als in Ordnung, genau wie die große Geste. Diese Variante wird allerdings einige hochgezogenen Augenbrauen und ausweichende Glückwünsche hervorrufen, so viel ist klar. Denn auf die Frage nach dem Antrag erwarten die wenigsten ein Schulterzucken als Antwort. Aber das sollte nicht das Problem des Brautpaares sein.

Ich stelle mir, seit ich Liebesromane lese, Kinofilme schaue und Tränen zu YouTube Hochzeitsflashmobs unterdrücke, eine ganz andere Frage. Nämlich die Frage zur Frage

Willst Du mich heiraten?

Natürlich ist die Formulierung höflich, aber ist sie wirklich nötig? Wenn die Befragte in Tränen ausbricht und vor lauter Rührung nicht sprechen kann, muss der arme Antragsteller dann wirklich zittern? Fragt er spontan in der ersten Beziehungswoche, kann er sich einer positiven Antwort nicht sicher sein. Aber nach mehreren Jahren, mit gemeinsamen Kindern, einem Haus oder zumindest einem Haustier, sollte das Ja selbstverständlich sein, oder?

Wäre nicht ein simples

Heirate mich

in einem zweisamen Augenblick auch eine Möglichkeit? Eine Aufforderung – keine Frage – die beweist, dass beide auf der gleichen Wellenlänge liegen, wissen, was sie einander bedeuten und sicher sind, diesen Schritt gehen zu wollen. Die beiden Worte beinhalten so viel mehr als nur einen Heiratsantrag und den Beginn einer Verlobung. Sie symbolisieren eine Liebe, die keine Fragen offen lässt, keine Zuschauer benötigt und keine Beweise für die Aufrichtigkeit der Gefühle. Vielleicht braucht diese Liebe nicht einmal eine Hochzeit, aber das ist eine andere Geschichte.