Frisch verliebt zu sein ist toll, vielleicht sogar das beste Gefühl überhaupt. Verliebt zu sein, lässt uns glauben, dass alles möglich ist, dass wir Könige sind oder Prinzessinnen, unbesiegbar, frei und glücklich. Frisch verliebt zu sein, ist wundervoll, solange wir in unseren Partner verliebt sind. Was aber ist, wenn wir uns verlieben, obwohl wir vergeben sind?
Das Gefühl ist das gleiche. Einfach alles ist neu, aufregend, belebend. Endlich wieder glücklich, wieder unbeschwert sein, raus aus dem Alltagstrott, rein ins Leben. Doch was wird aus unserer Beziehung? Was wird aus dem Menschen, mit dem wir Jahre verbracht haben, Zukunftspläne gemacht, dem wir Treue gelobt, dem wir den Lebensabend versprochen haben?
Wenn Du Dich neu verliebst, ist das ein Zeichen, dass mit Deiner Beziehung etwas nicht stimmt. Wer in einer soliden Beziehung steckt, schaut sich nicht anderweitig um, bemerkt andere gar nicht erst.
Stimmt das? Bedeutet, sich zu verlieben, dass die vorhandene Beziehung, dem Tod geweiht ist und nur noch durch Gewohnheit und Verpflichtungen am Leben gehalten wird, künstlich beatmet durch Zukunftsangst und der Unfähigkeit, allein zu sein? Möglich, aber nicht zwingend wahr. Wenn der andere Mann die neue Zukunft ist, lohnt sich kein Ausharren, kein Abwarten, bis die Verliebtheit nachlässt und langsam verschwindet. Dann wird es Zeit für einen Neuanfang, ungeachtet der Sorgen, die Veränderungen mit sich bringen. Denn verliebt zu sein beflügelt, trägt uns in höchste Höhen und über Ängste hinweg. Aber was ist, wenn dieses Gefühl nur ein Symptom ist, dafür dass wir unzufrieden mit uns selbst sind und gar nicht mit unserer Beziehung, die eigentlich – seien wir doch mal ehrlich – ganz gut war, bis wir uns neu verliebt haben? Dann sind wir es, mit denen etwas nicht stimmt. Möglicherweise sind wir unzufrieden mit dem Job, dem Erfolg, unserem Aussehen oder von allem ein bisschen und sonnen uns deshalb in der Aufmerksamkeit der neuen Person. Genießen ihren Blick durch die rosarote Brille auf uns, ungetrübt von Alltagsstress, Problemen und nervige Macken. Fehler und Unzulänglichkeiten verschwinden, übrig bleibt, wie wir uns gerne sehen würden. Attraktiv, erfolgreich, charmant. In der alten Beziehung hat der Alltag den Zauber des Anfangs längst verdrängt, unsere Macken offenbart, genau wie die Fettpolster und die Tollpatschigkeit. Wem ist zu verdenken, dass er das Gefühl, perfekt zu sein in den Augen eines anderen Menschen, begehrenswert, unwiderstehlich, noch einmal erleben will. Niemandem.
Aber irgendwann schlagt auch in dieser neuen Beziehung die Uhr irgendwann Mitternacht und die Magie verpufft. Ziehen wir dann weiter? Ewig auf der Suche nach dem Gefühl der Verliebtheit, nach Aufmerksamkeit und Bewunderung? Wir wären nicht die Einzigen, die so durchs Leben flattern, ständig frisch verliebt, niemals für immer. Dauerhaft glücklich? Eher nicht. Wer sein Glück im Blick eines anderen auf das eigene Ich sucht, macht sich abhängig und wer will das schon? Die Katastrophe ist praktisch vorprogrammiert. Ich wage es kaum zu schreibe, aber in diesem Fall gebe ich den Frauenmagazinen und ihrem ewigen Mantra recht. Wer mit sich selbst nicht glücklich ist, kann es mit anderen auch nicht werden. Ein bisschen unfair ist das Ganze übrigens auch. Lieben heißt nicht nehmen, was wir packen können und weiterziehen, wenn nichts mehr da ist.
Lieben heißt, gemeinsam durchs Leben zu schreiten, Seite an Seite, Problemen die Stirn zu bieten und Erfolge zu feiern. Und wie wäre es, wenn wir zur Abwechslung einmal selbst die rosarote Brille aufzusetzen, und dem Herzmenschen trotz Streit über den Wochenendeinkauf sagen, dass er großartig ist und wir froh sind, ihn in unserem Leben zu wissen?