Gemeinsam alles tragen – die Freude und den Schmerz.
Gemeinsam alles wagen – das bindet Herz an Herz.
Diesen Spruch finden die meisten Hochzeitpaare in mindestens einer ihrer Glückwunschkarten, weil er das perfekte Motto für eine gelungene Beziehung zu sein scheint. Geht es nicht darum, gemeinsam Seite an Seite durchs Leben zu gehen, in guten wie in schlechten Zeiten, Kämpfe zusammen auszutragen, sich in Abenteuer zu stürzen und das Glück zu teilen? Natürlich. Doch was ist, wenn die Last zu schwer wird oder das Wagnis zu groß? Müssen wir dann immer noch schleppen, was uns aufgebürdet wird? Ich meine nicht, aufgeben, wenn es schwierig wird, sondern wenn sich die Umstände ändern, die Träume, die Pläne. Wann wird es Zeit die Notbremse zu ziehen?
Die Festanstellung zu kündigen und dem Traum, als digitaler Nomade um die Welt zu reisen, folgen, klingt aufregend, großartig und ein wenig verrückt. Irrsinnig wird es, wenn nicht genug Startkapital da ist oder kein digitaler Job, der für das nötige Einkommen sorgt. Dürfen wir in diesem Fall den Traum unseres Herzmenschen platzen lassen oder müssen wir das Wagnis angehen, weil das zu unserem Versprechen gehört und die Idee an sich auch irgendwie spannend klingt? Klar, die vernünftige Antwort wäre: Nein, der Plan ist zu unausgegoren, zu riskant, zum Scheitern verurteilt. Das mag stimmen, aber was ist, wenn unser Herzmensch trotzdem losziehen möchte, gegen jede Vernunft?
Und wie sieht es mit dem Tragen aus? Krankheiten, Nöte, finanzielle Engpässe gehören selbstredend mit zum Deal, aber was ist zum Beispiel mit einer Sucht? Ich weiß, genau genommen sind Süchte ebenfalls Krankheiten, aber das ist dem Süchtigen leider nicht immer bewusst. Müssen wir diese Last mittragen, wenn unserem Gegenüber die Einsicht fehlt, uns zum Co-Abhängigen machen und die Sucht befähigen?
Gemeinsam alles tragen, gemeinsam alles wagen, klingt wunderschön und ganz am Anfang einer Beziehung, wenn die Umstände perfekt sind, die Träume gemeinsam geträumt werden und Pläne sich praktisch von allein formulieren, ist es auch ein Leichtes das Motto in die Tat umzusetzen. Doch wenn das Leben seinen Lauf nimmt und einer von beiden die Spielregeln ändert, einen persönlichen Traum zum gemeinsamen machen will oder sich schlichtweg im Egoismus verzettelt, dann wird es schwierig. Dann ist da plötzlich eine Grenze, auf der wir balancieren, eine Haarlinie zwischen unserem Versprechen an einen anderen Menschen und unseren persönlichen Wünschen und Träumen. Diese Balance zu halten ist ein wahres Kunststück. Unseren Herzmenschen zu unterstützen, ihn wachsen und sich verändern zu lassen, ohne uns selbst aufzugeben – nicht Träumen hinterherzujagen, die wir nie hatten, um jemand anderen glücklich zu machen, und keine Lasten zu tragen, deren Gewicht längst auf unseren Schultern allein liegt. Träume müssen nicht immer gleich verteilt sein, aber sie dürfen genauso wenig nur einem allein gehören. Und Lasten anderer sollten wir nur tragen, wenn diese Menschen auch bereit sind, unsere mitzutragen. Das Versprechen, das so schön klingt, funktioniert nur, wenn beide sich bedingungslos daran halten. Und darum geht es doch eigentlich, um das ‚gemeinsam’, nicht um das ‚alles’ und das sollten wir uns gelegentlich deutlich machen.
Solange wir beide felsenfest an das ‚gemeinsam’ glauben, können wir zusammen alles tragen, was uns das Leben vor die Füße wirft, und wagen, wovon auch immer wir träumen.