Meine Macken, Deine Macken

Der Klassiker aller Macken, der angeblich schon zu zahlreichen Scheidungen geführt hat, ist die Zahnpastatube, die am falschen Ende gedrückt wurde oder eben mittendrin. In Zeiten von Plastiktuben zum Aufstellen hat sich dieses Problem zum Glück von selbst gelöst, die Scheidungsrate ist aber dennoch nicht gesunken. Es gibt noch unzählige weitere Macken, die zur Trennung oder zumindest zu einem angestrengten Nervenkostüm beitragen können. Laut Männermagazin meckern Frauen andauernd, tragen hässliche Ballerinas, können nicht einparken und verteilen überall lange Haare. Frauenmagazine bescheinigen Männern Vergesslichkeit in Bezug auf Jahrestage, rumliegende Socken und schlechtes Zuhören. Das sind Klischees, keine Frage. Und ehrlich gesagt, nervt die ständige Wiederholung.

Aber Macken haben wir trotzdem alle. Pfeifen, zum Beispiel, ist eine Macke, die meine Nerven zum Zerreißen spannt. Rumliegende Klamotten hingegen stören mich überhaupt nicht, genauso wenig wie offene Schranktüren oder Cremetuben. Das heißt nicht, dass ich meine Cremetuben nicht zudrehe, aber ehrlich, bleiben sie offen, beeinflusst das mein Leben nicht im Geringsten. Was gibt es sonst noch? Schuhe, die im Weg liegen, kicke auch auf Seite, rumstehendes Geschirr räume ich in die Spülmaschine. Mir ist vollkommen egal, wo Sachen im Kühlschrank stehen, aber ich ordne sie meinem Herzmenschen zuliebe. Ich selbst habe keine Macken. Das ist natürlich Unsinn, wir alle haben sie. Der eine mehr, der andere weniger. Obwohl, vielleicht sind es immer gleich viele. Die einen nerven nur weniger als die anderen oder wir können sie besser ertragen. Denn darum geht es doch im Grunde, oder? Den einen Menschen zu finden, der unsere Macken charmant nennt und mit den meisten hervorragend leben kann. Und an den anderen könnten wir auch arbeiten, wenn wir ehrlich sind. Meinen Herzmenschen treibt es beispielsweise auf die Palme, wenn sein Gesprächspartner am Telefon isst oder trinkt. Mir macht das nichts aus, ich esse halt nicht, wenn ich mit ihm telefoniere.

Aber was ist, wenn die Macken nicht mehr charmant sind, sondern einfach viel zu viele? Was wenn wir plötzlich das Klischee erfüllen und über ungeöffnete Rechnungen, nicht heruntergeklappte Klodeckel, ständiges Zuspätkommen und unzählige andere Kleinigkeiten meckern? Wenn wir uns ständig beklagen, obwohl wir nie einer von diesen Menschen werden wollten, weil unser Gegenüber einfach nicht hören will. Ich behaupte, dann sind entweder wir das Problem, weil wir unzufrieden sind oder … nein, wir sind das Problem. Wir sind unzufrieden und versuchen, unseren Herzmenschen zu ändern, zu dem perfekten Partner zu machen, der er vielleicht weder ist noch sein möchte. Eventuell passen wir einfach nicht zusammen oder haben uns auseinandergelebt, vielleicht ist die Liebe weg oder wir sind mit uns selbst nicht glücklich und übertragen das auf unseren Partner und seine Macken. Klar, können die auch tatsächlich nerven, aber das führt uns wieder zum eigentlichen Punkt. Genau den Menschen zu finden und unbedingt festzuhalten, der uns inklusive aller Macken lieben kann und den wir im Gegenzug so lieben, wie er ist.