Weißt Du noch früher …?
Damals war alles leichter, lustiger, aufregender, irgendwie besser. Als wir jung waren, frisch verliebt, als wir noch keine Kinder, kein Haus, weniger Verpflichtungen hatten, als Urlaub spontan war, außerhalb der Ferien, ohne Urlaubsantrag und familienfreundliches Hotel. Als wir gefeiert haben, getanzt, ausgeschlafen, frei waren. Wir waren wir, heute sind wir anders.
Früher war alles besser, oder? Wenn Eltern, Großeltern und Politiker das sagen, verdrehen wir gerne die Augen, weil das natürlich nicht so war. Früher gab es weniger Möglichkeiten, weniger Geld und deshalb waren die Menschen nicht glücklicher, sondern besorgter. Aber unsere Gedächtnis neigt dazu, die guten Dinge zu behalten und die schlechten mit aller Macht zu verdrängen. Die guten ins Köpfchen, die schlechten ins … Abseits. Und das gilt auch für Beziehungen, nicht nur für die gescheiterten. Manche sind rückblickend so gruselig, dass auch unsere Erinnerung kein gutes Haar an ihnen lassen kann, aber andere wirken im Weichzeichner der Zeit gar nicht mehr so schlimm, wie sie sich angefühlt haben. Und unsere aktuelle Beziehung? Die leidet wie wir unter Hektik und Stress, dem Alltag eben. Erinnerungen an wilde Zeiten erscheinen vor diesem Hintergrund paradiesisch. Wie schön wäre es, noch einmal frei zu sein, mit dem VW Bulli ans mehr zu fahren, ohne vorher generalstabsmäßig planen zu müssen, checken zu müssen, ob es vor Ort die richtigen Windeln gibt oder auch nur ein glutenfreies Restaurant? Ah, das wäre großartig, oder?
Aber die Zeit lässt sich nicht aufhalten oder zurückdrehen, genauso wenig wie Veränderung. Und das ist gut so. Denn wer sich gegen Veränderungen sperrt, bleibt freiwillig stecken, im eignen Selbst und in der Beziehung. Aus Verliebtheit wird keine Liebe, keine Vertrautheit keine Intimität. Ja, wir blieben frei, aber wir hätten auch die Freiheit zu gehen, ohne unser Herz zu verlieren oder einen Teil unserer Seele. Ohne den einen, den richtigen Menschen, unserer Selenverwandten zurückzulassen. Denjenigen, ohne den wir nicht leben können. Das wussten wir damals noch nicht. Wir wussten nicht, wie die große Liebe sich anfühlt, wir kannten nur die Schmetterlinge im Bauch. Wollen wir das wirklich aufgeben? Dieses Gefühl, das wir haben, wenn wir uns gemeinsam durch die Wogen des Alltags, durch Steuererklärungen, Tiefschläge und Rückschritte kämpfen und am Ende zu gewinnen, die Steuerrückzahlung, den Mietvertrag für die Traumwohnung, den neuen Job oder den Kindergartenplatz? Das Taumeln vor Glück, wenn wir feststellen, dass wir einen Partner in Crime an unserer Seite haben, der mit uns kämpft, feiert und im Konfettiregen tanzt. Der die Leiter hält, wenn wir die Batterie im Feuermelder wechseln, der das Ruder übernimmt, während wir die Seekarte entziffern, der uns zwar nicht die Sterne vom Himmel holt, aber mit uns den Sternenhimmel anschaut, während wir gemeinsam im Garten sitzen.
Nein, früher war nicht alles besser, es war anders. Wir waren anders und sind es heute auch. Veränderungen sind nicht immer schön und manchmal sind sie auch beängstigend, aber solange wir im Kern wir bleiben, ist das okay. Denn es bedeutet, dass unsere gemeinsame Reise weitergeht, wohin auch immer sie uns führt. Der Weg muss nicht einfach sein, aber er bleibt spannend und kann mit einem Wimpernschlag eine neue Richtung einnehmen, wir müssen es nur wollen.
Solange Du meine Hand fest umschlungen hältst, gehe ich mit Dir ans Ende der Welt, denn es geht nicht darum, anzukommen, sondern den Weg gemeinsam zu bestreiten. Neugierig, darauf, was kommen mag und dankbar für jeden gemeinsamen Augenblick.