Gleichberechtigung ist in den meisten Beziehungen hierzulande eine Selbstverständlichkeit, zumindest sollte es so sein. Partner teilen sich Kosten, sparen zusammen und investieren zusammen. Auf dem Kaufvertrag für das eigene Haus, das neue Auto oder auf dem Mietvertrag stehen beide Namen ganz selbstverständlich. So ist das in einer Beziehung, gemeinsam durch dick und dünn und arm und reich. Ein Gleichgewicht ganz wie es sein sollte.
Nur was passiert, wenn dieses Gleichgewicht plötzlich aus der Balance gerät? Wenn einer von beiden arbeitslos wird, zu Hause bleibt, um die Kinder zu versorgen, krank wird? Das kann an den Grundfesten der Beziehung und dem eigenen Selbstbewusstsein rütteln. Natürlich könntet Ihr mir jetzt vorwerfen, dass eine Beziehung nicht vom Einkommen abhängt und Liebe und Achtung keinen finanziellen Gegenwert haben. Das ist richtig, gleichzeitig auch wieder nicht. Eine Mutter, die ihren Job aufgibt, weil sie sich um die gemeinsamen Kinder kümmert, arbeitet natürlich trotzdem, eben nur zu Hause statt im Büro. Das Gleichgewicht in der Beziehung verschiebt sich dennoch. Vielleicht in diesem Fall zunächst nicht deutlich, aber über die Zeit hinweg wird der Unterschied deutlicher. Dann, wenn die Frau das Gefühl bekommt, abhängig zu sein vom Einkommen des Mannes, wenn sie nicht weiß, ob sie jemals wieder in ihren alten Job zurückkehren kann, wenn sie merkt, dass sie ihren Lebensstandard im Falle einer Trennung nicht halten könnte. Sie muss noch nicht mal eine Trennung planen oder unglücklich sein in ihrer Beziehung. Das Entscheidende ist das kleine nagende Gefühl, aus dem Lot gefallen zu sein. Viel deutlicher wird das, wenn ein Partner seinen Job verliert und auf die schnelle keinen neuen findet, wenn er vielleicht sogar selbstständig war, die Rechnung nicht aufgegangen ist und er nun keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. In diesem Fall sinkt die Beziehungswippe auf einer Seite stark ab, wenn auch nur im eigenen Kopf. Das Gefühl, nicht genug einzubringen, abhängig zu sein oder schlimmer noch, zur Last zu fallen, lässt sich nicht abschütteln. Eine Lösung ohne neuen Job unmöglich und im Falle einer Krankheit oder Verletzung eventuelle sogar undenkbar. Was also können wir tun, um das Gleichgewicht zumindest gefühlt wieder in die Waage zu bringen? Nichts. Solange wir keinen Ausweg aus der Situation finden, stecken wir fest. Die Lösung muss der Partner, der vermeintlich die Oberhand in der Beziehung hat, liefern. Er muss dafür sorgen, dass das Gefühl des Ungleichgewichts gar nicht erst aufkommt, auch wenn das schwer ist und auch nicht für alle gleich. Aber ohne Respekt, Anerkennung und Mitgefühl wir die Beziehung ihre Balance nicht wieder finden, wenn ein Partner haushalten, rechnen, den anderen um Geld bitten muss.
Die Kunst liegt darin, in solchen Momenten klarzustellen, dass nur zwei vollwertige Teile ein Ganzes ergeben, unabhängig davon, wie viel Geld oder Arbeitskraft sie einbringen. Eine solche Balance kann nichts erschüttern, auch nicht, wenn die Waage irgendwann einmal in die andere Richtung kippt.