In Liebesromanen und auf Teepackungen heißt es, dass Liebe eine Ressource ist, die sich nicht verbraucht, nicht weniger wird, auch wenn wir sie teilen. Wir lernen, dass wir so viel Liebe verschenken können, wie wir möchten und trotzdem genug übrig behalten, um sie weiterhin großzügig zu vergeben. Warum also geizen wir damit?
Ich meine noch nicht einmal unsere Familie oder unseren Herzmenschen, die hören und fühlen hoffentlich ständig, dass wir sie lieben. Nein, ich spreche von der Welt da draußen. Dort geht es nicht um die gleiche Liebe, die wir für unsere Lieblingsmenschen fühlen, aber wir können auch entfernten Bekannten oder Fremden das Gefühl geben, gemocht oder zumindest geachtet und wertgeschätzt zu werden. Ein großartiges Gefühl, von dem wir nie genug bekommen können. Und dennoch bemerke ich, dass gerade im Social Media Bereich mit Liebe in Form von Likes und Herzen gespart wird, wo es nur geht. Als würde uns etwas fehlen, wenn wir kurz auf das Herzsymbol klicken oder als würden wir zu viel von uns Preis geben. Je bekannter ein Influencer wird, desto weniger liked und kommentiert er, er folgt weniger anderen Menschen in dem Maß, in dem er selbst Follower sammelt. Ihr könnt jetzt argumentieren, dass diese Leute berühmt sind, hin und her gerissen, zwischen Verpflichtungen, Anforderungen und dem ganz normalen Leben. Das stimmt natürlich und ich erwarte auch gar nicht, dass Beyoncé mir folgt, aber das Argument ist trotzdem nicht haltbar. Denn all diese Influencer und wir ganz normalen Nutzer von Facebook, Instagram und Co. scrollen täglich mehrfach durch unseren Feed, schauen uns Bilder und Statusmeldungen an, lachen vielleicht über den einen oder anderen Kommentar oder bewundern ein schönes Bild. Nur geliked wird von den meisten viel zu selten. Vielleicht ist das Bild nicht perfekt, aber was macht das schon? Die Person folgt uns nicht zurück. Und? Wir erfreuen uns trotzdem täglich an ihren Bildern. Vielleicht ist die Person schon so bekannt, dass unser Herz zwischen die vielen tausend gar nicht mehr auffällt. Das ändert aber doch nichts daran, dass uns das Foto gefällt. Eventuell wollen wir nicht wirken wie verrückte Stalker oder verzweifelt, einsam, ohne echtes Leben, weil wir so vielen Menschen folgen. Das ist natürlich Unsinn, da diese Plattformen zum Folgen, Mögen und Teilen gemacht wurden – nicht zum Geldverdienen. Und dennoch halten so viele, und ich selbst kann mich nicht immer ausschließen, ihre Zuneigung zurück. Als würde wir sie aufbrauchen oder als wollten wir nicht zugeben, dass andere etwas Gutes, Schönes, möglicherweise sogar etwas Besseres als wir zustande gebracht haben. In Zeiten, in denen soziale Plattformen dazu genutzt werden zu mobben, zu manipulieren und vollkommen unbekannte Menschen zu beschimpfen, ist diese Zurückhalten traurig. Wir, die wir Respekt für unsere Mitmenschen haben, sie und ihre Arbeit oder auch ihr Hobby zu schätzen wissen, gerne an den Blicken, die sie uns in ihr Leben erlauben, teilhaben, sollten dies auch kundtun, durch einen Daumen nach oben, ein Herzchen oder sogar einen Kommentar. Wir sollten zeigen, dass nicht nur Hetze und Hass laut sind im Netz, sondern die guten, die richtigen Dinge. Wir sollten mit jedem Like ein Zeichens setzen, einem anderen Menschen, den wir unter Umständen niemals treffen werden, unsere Wertschätzung zeigen, ihm etwas Liebe schenken.
Ich habe mir in der letzten Woche zur Aufgabe gemacht, bewusst zu liken, zu herzen und gelegentlich auch zu kommentieren, nicht nur wenn das Bild perfekt ist oder der Status super witzig, sondern auch wenn jemand sich bemüht, etwas zu zeigen, das ihm wichtig ist, das eine Bedeutung hat, auch wenn das Endergebnis nicht preisverdächtig ist. Ich habe bewusst nach kleinen Accounts mit tollen Fotos gesucht, die viel Mühe in ihre Arbeit stecken und nicht genug Anerkennung bekommen, weil alle nur den wenigen großen folgen. Das hat mir selbst zwar nicht mehr Likes oder Follower eingebracht, aber darum ging es auch gar nicht, sondern darum, anderen ein gutes Gefühl zu geben, ihnen zu zeigen, dass dort hinter dem Bildschirm jemand ist, der den Post mag, sich darüber gefreut hat, ihn zu schätzen weiß. Und das allein war es wert.