Ohne Netz und doppelten Boden

Wir denken über Paar-Tattoos nach und über Fotos vom Herzmenschen auf unseren Social Media Accounts. Wir fragen uns, ob es das Risiko wert ist, uns unsere Liebe unter die Haut stechen zu lassen und was aus dem Tattoo wird, wenn die Liebe erlischt. Ein paar Fotos sind schnell gelöscht, ein Tattoo nicht eben entfernt. Und dann sind da noch die Fragen des täglichen Zusammenseins: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um zusammenzuziehen? Gebe ich meine Wohnung auf oder sollten wir erst einen Testlauf wagen? Wann heiraten wir? Nach einem Jahr, nach zwei Jahren, nach zehn? Welcher Zeitpunkt ist für was okay und was ist kopflos, überstürzt und praktisch zum Scheitern verurteilt? Schließlich wollen wir keinen Fehler begehen, nicht dumm dastehen, wenn die Beziehung zu Ende geht, nicht mit leeren Händen und der falschen Tinte auf der Haut zurückbleiben. Deshalb ist es immer besser, sicher zu gehen, jede Entscheidung genau zu überdenken und vielleicht sogar noch ein Hintertürchen offen zu lassen, oder?

Aber was ist, wenn wir einfach springen? Wie all diejenigen, die sich auf den ersten Blick verlieben, unser Schicksal beim Schopf packen und lieben, ganz ohne Netz und doppelten Boden. Hält eine Beziehung länger, wenn wir vorher intensiver über jede Entscheidung nachdenken? Ich glaube nicht. Sie hält auch nicht länger, wenn wir erst nach einem Jahr statt nach vier Wochen zusammenziehen oder mit dem Heiraten warten, bis sich Nachwuchs ankündigt. Entweder es passt oder eben nicht und dabei ist es unwichtig, ob wir warten oder uns Hals über Kopf ins Abenteuer stürzen. Im Gegenteil, zögern, zurückhalten, gegen die eigenen Gefühle handeln kann sogar schaden. Wir können eine wirklich gute Sache, echte Gefühle kaputt reden, zu Tode analysieren und im Keim ersticken, nur weil wir 120 % sicher sein wollen. In der Realität existieren nur leider keine 120%, egal was uns Frauenmagazine und Motivationschoaches weiß machen wollen. 100% und unser Bauchgefühl sind alles, was wir haben. Natürlich kann sich der Bauch einmal irren, aber der Verstand auch und selbst Paare, die zu Beginn perfekt zusammen schienen, trennen sich. Das Leben hat halt häufig die Eigenschaft zwischen uns und unsere Pläne zu kommen. Aber daran ändert auch Warten und Grübeln nichts. Was sich allerdings dadurch ändert, ist die Zeit, die wir mit unserem Liebsten verbringen, bevor Pech, das Schicksal oder einfach das Leben uns in die Quere kommen. Denn während wir alles analysieren, verpassen wir den Spaß, das Leben, die Liebe. Und wenn wir damit aufhören und unseren Herzmenschen genießen, trügt uns unser Bauchgefühl vielleicht gar nicht und das Ende ist nicht so zwangsläufig, wie unsere Angst, die gut meinenden Kritiker und allgemeingültige Beziehungsregeln, von denen längst keiner mehr weiß, woher sie stammen, uns vorgaukeln.

Wieso also nicht einfach springen und ohne Netz und doppelten Boden und darauf vertrauen, dass unser Herzmensch uns auffängt, genau wie wir es jederzeit für ihn tun würden?