Manchmal reicht Liebe allein nicht aus.
Jedes Mal, wenn ich diesen Satz lesen, denke ich sofort: Warum? Sollte es nicht so sein, dass Liebe allein genug als Grundlage für eine Beziehung ist? Ich habe lange überlegt, welches Szenario wohl zu der Situation passen würde und unter welchen Umständen, Liebe allein nicht reicht. Und ehrlich, das ist gar nicht so leicht. Zunächst fiel mir eine komplizierte Familiensituation ein, so á la Romeo und Julia – sehr literarisch, ich weiß. Dann dachte ich aber, gibt es das heute noch? Familien, die so boshaft und einflussnehmend sind, dass die Beziehung scheitert? Oder sind wir heute selbstbestimmt genug, um uns solchen Verwandten zu widersetzen und sie wenn nötig sogar aus unserem Leben zu streichen, weil das Ganze mit Fürsorge und familiärem Zusammenhalt sicher nichts zu tun hat. Am Ende schadet eine solche Energie nicht nur dem Paar, sondern auch demjenigen, dessen Familie sein Leben bestimmt.
Als nächstes dachte ich an Fernbeziehungen. Beide haben ihren Traumjob, auf den sie lange hingearbeitet haben, Tausende Kilometer voneinander entfernt. Niemand kann von seinem Herzmenschen verlangen, dass er einen Traum aufgibt. Das wäre nicht fair. Aber Träume ändern sich, genau wie das Leben. Könnte es nicht sein, dass die Liebe wichtiger wird als ein Job, dass eine Familie den Wunsch nach einer erfolgreichen Karriere ersetzt? Und wenn nicht bestünde immer noch die Möglichkeit, einen neuen, einen anderen Arbeitsplatz zu finden, der näher liegt oder günstigere Arbeitszeiten hat, nicht sofort, aber irgendwann einmal. Das ist natürlich alles eine Frage der Prioritäten und es könnte sein, dass wir feststellen, die Beziehung ist nicht so wichtig, wie wir dachten, kann nicht mithalten mit unserem Traum. Das mag schmerzhaft sein, für den Moment, aber wenn etwas richtig für uns ist, ist es gut. Ob das eine solche Situation ist, in der Liebe allein nicht reicht, weiß ich nicht, denn die Liebe war einfach nicht groß genug, konnte alles andere nicht überstrahlen und das ist in Ordnung.
Und dann fällt wir eine Szenario ein, in der die Liebe nicht reicht: Wenn einer von beiden mehr liebt als der andere. Wenn einer die Beziehung aufrechthält, wenn einer alles wagt, alles trägt und alles erträgt und der andere nur mit halbem Herzen dabei ist. Eine Person kann nicht genug lieben für zwei. Diese Liebe verzerrt, am Ende alles. Sie verbraucht Energie, Freude, Glück, das eigene Selbst. Auch das ist so ein Satz, den wir häufig in Liebensromanen lesen:
Meine Liebe ist groß genug für uns beide.
Eine schöne Vorstellung, die zunächst romantisch wirkt, selbstlos, sogar aufopfernd. Und genau das ist diese Liebe auch, selbstverzehrend. Liebe soll selbstlos sein, aber nicht bodenlos. Dort wo andere sie mit Füßen treten, weil sie die Liebe nicht zu schätzen wissen, oder achtlos nehmen, die Liebe verbrauchen, ohne zu sehen, welchen Schaden sie anrichten, sollten wir aufhören zu investieren und uns selbst retten. Und ich glaube, in diesem Fall reicht Liebe allein tatsächlich nicht aus.